Konfliktmanagement ist Chefsache

von | 15.06.2023

Konfliktmanagement als Führungsaufgabe

Worum geht es in diesem Artikel

  • Konflikte haben einen hohen Preis: zwischenmenschlich, emotional, gesundheitlich, betriebs- und volkswirtschaftlich.
  • Ein Konflikt entsteht, wenn eine Meinungsverschiedenheit nicht mehr konstruktiv auf der Sachebene gelöst werden kann, sondern auf die Beziehungsebene rutscht.
  • Konflikte haben die Tendenz zur Eskalation. Je früher die Eskalation durchbrochen wird, desto besser.
  • Menschen zeigen unterschiedliche Konfliktverhalten, die unterschiedliche Herangehensweisen erfordern.
  • Führungskräfte tragen die Verantwortung für Konflikte in und mit ihren Teams: Konflikte erkennen, ihre Tragweite einschätzen und Maßnahmen zur Konfliktbewältigung ergreifen, sind wichtige Führungskompetenzen.
  • Konfliktmoderation ist anspruchsvoll. Die Moderation sollte nur von einer Führungskraft übernommen werden, wenn der Konflikt es zulässt, die Beteiligten das akzeptieren und die Person neutral bleiben kann.
  • Holen Sie sich im Zweifel Unterstützung durch einen externen Coach und/oder Mediator.

Konflikte richten großen Schaden an

Manchmal scheppert es im Team, und dann sind Führungskräfte in einer besonderen Verantwortung. Es ist die Aufgabe der Führungskraft einzuschreiten, sobald eine Auseinandersetzung die Arbeit belastet. Vielen Führungskräften fehlt jedoch die Sicherheit. Sie wissen nicht, was zu tun ist und warten ab. Das aber verschärft in aller Regel die Konfliktsituation. In diesem Blogbeitrag möchte ich zeigen, was einen Konflikt ausmacht, welche Dynamik und Verhaltensweisen er mit sich bringen kann und was Führungskräfte konkret tun können, um den Konflikt zu lösen.

Konflikte haben negative Folgen für das Unternehmen. Dies beginnt mit zwischenmenschlichen Reibungsverlusten an den Schnittstellen, wenn zwei sich „nicht grün“ sind. Und es geht zu Lasten der Produktivität: Eine Studie des Österreichischen Hernstein-Instituts gibt an, dass ca. 15 % der täglichen Arbeitszeit in Deutschland durch Konflikte gebunden werden. Führungskräfte wenden 30 bis 50 % ihrer wöchentlichen Arbeitszeit direkt oder indirekt für Konflikte oder deren Folgen auf.

Dazu kommen gesundheitliche Probleme: Laut AOK-Fehlzeiten-Report führen Konflikte zu Behandlungskosten und Ausfällen am Arbeitsplatz im Wert von ca. 40 Milliarden Euro pro Jahr. Und schließlich führen Konflikte zu erhöhter Fluktuation und Kündigung: 50 % und mehr der Kündigungen durch den Mitarbeiter beruhen auf ungelösten Konflikten. Bei bis zu 90 % der Kündigungen durch den Arbeitgeber werden Konflikte als Kündigungsgrund genannt.

Was ist ein Konflikt?

Differenzen, Meinungsverschiedenheiten, unterschiedliche Ideen, Ziele und Werte sind noch kein Konflikt. Es gehört einiges mehr dazu, um von einem Konflikt zu sprechen: Eine starke Spannung, die von mindestens einer Konfliktpartei als emotional beeinträchtigend und als Begrenzung der eigenen Handlungsfähigkeit erlebt wird.

Friedrich Glasl, Friedens- und Konfliktforscher, hat es so formuliert: Ein „sozialer Konflikt ist eine Interaktion zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen, Organisationen usw.), wobei wenigstens ein Aktor Unvereinbarkeiten im Denken / Vorstellen / Wahrnehmen und/oder Fühlen und/oder Wollen mit dem anderen Aktor (den anderen Aktoren) in der Art erlebt, dass im Realisieren eine Beeinträchtigung durch einen anderen Aktor (die anderen Aktoren) erfolge.“

Ob aus einer Differenz ein Konflikt wird, hängt also zentral mit der Frage zusammen, auf welche Weise wir mit ihr umgehen. So kann ich als Beteiligter sachlich feststellen, dass mein Gegenüber eine andere Auffassung hat und einen konstruktiven Umgang suchen. Oder ich fühle mich vom anderen in meinen Ansichten in Frage gestellt und reagiere mit Verärgerung und Aggression. In diesem Fall hat die Meinungsverschiedenheit eine gute Chance sich zu einem Konflikt auszuwachsen. Führungskräfte sind also gut beraten, genau hinzuschauen und im Zweifel frühzeitig einzugreifen.

Der Konflikt und sein fatales Eigenleben

Gelingt es den Streitenden nicht, einen konstruktiven Umgang zu finden und die Meinungsverschiedenheit auf der Sachebene zu lösen, rutscht die Auseinandersetzung auf die Beziehungsebene, und ein Konflikt beginnt.

Die Stressforschung zeigt, dass dies mit psychologischen Reaktionen verbunden ist, die bei den Beteiligten wie automatisch auftreten, zu einem Tunnelblick führen und Schritt für Schritt zur Verschärfung des Konfliktes beitragen können:

  • So wird z.B. die Wahrnehmungsfähigkeit eingeschränkt. Die Sicht auf sich selbst, den Gegner und das Problem wird einseitig und verzerrt. Die Kontrahenten sehen nur noch, was für sie selbst ärgerlich oder bedrohlich sein könnte. Alles andere wird überhört und übersehen. Das Schwarz-Weiß-Denken zeigt sich sprachlich z.B. in Pauschalisierungen: „Das ist wieder mal typisch für ihn!“ oder „Sie wird es wieder tun!“
  • Das Gefühlsleben wird stark beeinträchtigt. Im Verlauf entwickeln sich starke negative Emotionen, die sich verfestigen. Die Fähigkeit zur Empathie für den anderen nimmt ab.
  • Der Wille verengt sich auf die eigenen Interessen, die man um jeden Preis durchsetzen will. Die Konfliktparteien zeigen im Verlauf oft zerstörerisches Verhalten, kompromisslos werden ultimative Forderungen gestellt. Teilweise erfolgt ein Rückgriff auf kindliche Verhaltensmuster: „Jetzt erst recht!“

Die Phasen der Konflikteskalation: Neun Stufen in den Abgrund

Je früher die Anzeichen für einen Konflikt erkannt werden, desto besser. Denn die Kommunikation vergiftet sich Stück für Stück, und die Empathie für den anderen löst sich in Windeseile auf. Friedrich Glasl hat analysiert, auf welche Weise ein Konflikt eskaliert und dieses Wissen in die neun Stufen der Konflikteskalation einfließen lassen.

Das Modell zeigt: Die Dynamik des Konflikts verläuft nicht unbemerkt und schleichend. Die Konfliktparteien übertreten stattdessen Schwellen zu einem jeweils verschärften Konfliktverhalten, das die nächsttiefere Eskalationsstufe zu einem immer primitiveren und unmenschlicheren Verhalten markiert.

Was zeigen die 9 Eskalationsstufen eines Konflikts?

Die neun Eskalationsstufen sind in drei Phasen geteilt: Während in der ersten Phase (Stufen 1- 3) noch eine sachlich-konstruktive Lösung möglich ist, geht es den Kontrahenten in der zweiten Phase (Stufen 4 – 6) nur noch um Gewinnen und Verlieren. Der Konflikt ist komplett auf die Beziehungsebene gerutscht. Die zunehmende Radikalisierung führt in der dritten Phase (Stufen 7 – 9) zu einer völligen Verdinglichung und Entmenschlichung des Konfliktes. Hier geht es nur noch um das Ausmaß der gegenseitigen Vernichtung, zu gewinnen gibt es hier nichts mehr.

Stufe 1: Verhärtung

Am Anfang gibt es Meinungsverschiedenheiten in der Sache. Zuweilen verhärten sich die Standpunkte und prallen aufeinander. Auch wenn dies noch als „Ausrutscher“ gewertet wird, drückt es auf die Stimmung und beeinträchtigt die Beziehung zwischen den Beteiligten. Die Parteien schwanken zwischen dem Wunsch nach Kooperation und Konkurrenz. Eine gemeinschaftliche Betrachtung der Differenzen könnte zu einer zügigen Lösung führen. Geschieht das nicht, führen Emotionen wie Ungeduld und Verärgerung zu einer Verschärfung der Auseinandersetzung.

Stufe 2: Debatte und Polemik

Die Debatte spitzt sich zu und wird geführt, als ob die Positionen weit auseinander lägen. Es findet eine Polarisierung im Denken, Fühlen und Wollen statt. Rhetorische Tricks und Polemik werden eingesetzt, um mit einem deutlichen Unterton die vermeintlichen Defizite in der Argumentation des Gegenübers zu entlarven: „Also, Herr Kollege! Mit Verlaub, Ihr Vorschlag ist doch…“ Die eigene Argumentation ist, so die Wahrnehmung, nur von der Sachlogik bestimmt. Irgendwann haben die Beteiligten das Gefühl, nicht weiter zu kommen. Der andere ist für Argumente unzugänglich! Deshalb muss jetzt gehandelt werden.

Stufe 3: Taten statt Worte

Diese Phase ist geprägt von der Überzeugung: Reden ist sinnlos. Es finden keine Versuche mehr statt, den anderen argumentativ zu überzeugen. Die Gegenseite wird stattdessen vor vollendete Tatsachen gestellt: Die Beteiligten tun nun das, wovon sie überzeugt sind, ob es dem anderen passt oder nicht. Da keine Gespräche mehr stattfinden, werden Verhalten und Körpersprache des Kontrahenten mit Argwohn interpretiert. Das Einfühlungsvermögen für den anderen geht bereits auf dieser Stufe abhanden. In einem Konfliktlösungsprozess müsste zunächst die Empathie für den anderen wiederhergestellt werden, bevor eine Klärung in der Sache möglich ist.

Stufe 4: Sorge um Image und Koalitionen

Die Kontrahenten haben ein übersteigert positives Selbstbild und ein sehr negatives Fremdbild des anderen. Jede Äußerung und jedes Verhalten des anderen verstärken diese Sichtweise. Positive Seiten des anderen, die das negative Bild korrigieren könnten, werden nicht mehr gesehen. Vor allem Kompetenzen, Wissen und Können der Gegenseite werden in Frage gestellt und laut gegenüber Dritten geäußert. Gleichzeitig gilt das ungeschriebene Gesetz, die moralische Integrität der anderen Seite nicht in Zweifel zu ziehen. Parallel wird um Mitstreiter geworben, die das eigene Bild teilen. Auf dieser Stufe sollten Sie darüber nachdenken, einen externen Mediator hinzuzuziehen.

Stufe 5: Gesichtsverlust

Was auf Stufe 4 noch undenkbar war, ist jetzt erlaubt. Die moralische Integrität des anderen wird aberkannt und führt zu ehrenrührigen Angriffen in der Öffentlichkeit: „Dieses Verhalten ist keine Unfähigkeit mehr, das ist doch Manipulation!“ „Sie ist einfach nicht vertrauenswürdig – da muss jetzt was geschehen!“
Während dem anderen unlauteres Verhalten vorgeworfen wird, wird die eigene Position als gut und moralisch gerechtfertigt wahrgenommen: „Diese Person hat immer noch nicht verstanden, dass es uns nur um das Wohl von… geht!“ Die Sprache ist radikal, aggressiv und entmenschlicht. Sie führt zu tiefen und persönlichen Demütigungen. Spätestens ab dieser Stufe ist Unterstützung von außen durch eine professionelle Mediation nötig, um eine weitere Eskalation zu vermeiden und den Konflikt zu lösen.

Stufe 6: Drohstrategien

Während auf Stufe 3 bereits vage und unbestimmte Drohgebärden zum Einsatz kamen, finden auf Stufe 6 wirkliche Drohungen statt. Durch das tiefe Misstrauen, die gegenseitige Verachtung und durch den verletzten Selbstwert ist hier viel erlaubt, was vorher undenkbar wäre. Eine Spirale von öffentlich ausgesprochenen Drohungen und Gegendrohungen wirkt weiter eskalierend: „Ich fordere von Ihnen, dass Sie unverzüglich… Wenn Sie das nicht tun, dann… Es liegt ganz bei Ihnen!“ Die gestellten Ultimaten machen gleichzeitig abhängig: Man nimmt sich gegenseitig immer mehr Handlungsoptionen weg. Verbitterung und Wut führt nun auf

Stufe 7: Begrenzte Vernichtungsschläge

Die Radikalisierung der Stufen 4 bis 6 hat zu einer Entmenschlichung geführt. Tugenden wie Wahrhaftigkeit gehen jetzt über Bord, da es sich beim anderen sowieso um kein menschliches Wesen handelt. Stattdessen bestimmen Lüge, Täuschung und Manipulation das Geschehen. Vor Stufe 5 (Gesichtsverlust) wäre dies undenkbar gewesen, jetzt macht es die guten Krieger aus. Auf Stufe 7 bleibt es nicht bei den angekündigten Forderungen. Nun werden Drohungen begrenzt umgesetzt: Der andere soll spüren, dass es ernst ist. Die Gegenseite antwortet ebenfalls mit begrenzten Zerstörungsaktionen. Der Schaden beim anderen wird als Gewinn erlebt und führt zur weiteren Radikalisierung auf

Stufe 8: Zersplitterung, totale Zerstörung

Hier geht es jetzt ums Ganze, um die totale physische, materielle, wirtschaftliche, seelische, soziale und geistige Vernichtung des anderen mit allen (auch unlauteren) Mitteln. Es gibt keine Selbstbegrenzung mehr, wie weit die Schädigung des anderen gehen kann.

Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund

Der Wutrausch der gegenseitigen Verletzungen und Schädigungen steigert sich zur selbstzerstörerischen Besessenheit. Hier nehmen Menschen in Kauf, selbst Schaden zu nehmen, wenn sie damit erreichen, den Feind zu zerstören. Lieber geht man selbst in den Abgrund, als zu erleben, dass der andere noch wirtschaftlich tätig ist oder am Leben ist.

Die Stufen helfen Führungskräften Muster zu erkennen

Oft wird das enorme Eskalations- und Zerstörungspotenzial von Konflikten unterschätzt. Die Stufen machen deutlich, wie gravierend Konflikte sich ausweiten und zu welchen Regungen Menschen fähig sein können.

Konflikte eskalieren nicht unausweichlich bis zur letzten Stufe. Wenn es die Kontrahenten wirklich wollen, kann die Eskalation durchbrochen werden.

Für Führungskräfte ist das Wissen über die neun Eskalationsstufen deshalb von großer Bedeutung, weil es hilft Muster zu erkennen.

Feuer und Flamme oder Kalter Krieg: Konfliktverhalten erkennen

Mit Konflikt verbinden wir Menschen, die sich laut streiten und anschreien. Es gibt aber auch schwerwiegende Konflikte, die nicht offen ausgetragen werden und bei denen die Emotionen wie eingefroren sind. Friedrich Glasl spricht deshalb von heißem und kaltem Konfliktverhalten. Während wir meistens keine Schwierigkeiten haben, einen heiß ausgetragenen Konflikt zu erkennen, ist das bei einem kalten Konflikt schwieriger. Umso wichtiger ist es für Führungskräfte, die Anzeichen für diese unterschiedlichen Verhaltensweisen zu erkennen.

Heiße Konflikte sind in der Regel nicht zu überhören. Die Kontrahenten vertreten „ihre Sache“ mit Überzeugung und Feuereifer. Der Konflikt wird hochemotional geführt, es wird offen die Konfrontation gesucht, die durchaus explosiv sein kann. Wenn eine Teammitglied seinen Kollegen rüde unterbricht, die Augen verdreht, laut aufstöhnt oder andere Signale der Genervtheit sendet, lohnt es sich hinzuschauen, ob dies erste Anzeichen für einen entstehenden heißen Konflikt sind.

Bei kalten Konflikten ist Sarkasmus ein wichtiges Indiz: Es gilt die Schnapsidee des anderen zu verhindern („Das ist doch alles Quatsch!“) und ihn in seiner Begeisterung zu dämpfen. Oberflächlich ist die Situation ruhig, weil die Kontrahenten den direkten Kontakt und die Kommunikation miteinander vermeiden. Wenn Begegnungen nicht zu vermeiden sind, ist der Umgang betont sachlich und formalistisch. Nur weil der Konflikt nicht offen ausgetragen wird, ist er nicht weniger toxisch. Häufig hat der Konflikte heiß begonnen, Verletzungen und Missachtungen haben dann zu einem Einfrieren der Emotionen geführt. Konflikte können über viele Jahre kalt aufrechterhalten werden.

Wenn Führungskräfte das Konfliktmanagement in die Hand nehmen, sollte das Konfliktverhalten berücksichtigt werden. Heiße und kalte Konflikte können nicht auf dieselbe Art gelöst werden. Während heiße Konflikte „abgekühlt“ und entschleunigt werden und eine Begrenzung von Themen und Spielregeln eingeführt werden sollten bis eine direkte Konfrontation der Parteien (z.B. durch gemeinsame Gespräche) möglich ist, müssen kalte Konflikte erst wieder erwärmt werden. Im Einzelkontakt mit den Kontrahenten muss erst das Selbstwertgefühl aufgebaut werden und Zugang zu den abgespaltenen Gefühlen entstehen, bevor Auseinandersetzung und Klärung mit der anderen Partei möglich werden.

Konfliktmanagement: Eine Aufgabe der Führungskraft

Die wesentliche Aufgabe einer Führungskraft ist es, Strukturen und Prozesse zu schaffen, damit ein Team seinen Beitrag zur Erfüllung des Unternehmensziels leisten kann. Ein Team besteht naturgemäß aus unterschiedlichen Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Kompetenzen, Erwartungen und Stimmungen. Die daraus entstehende Dynamik muss von der Führungskraft gut gemanagt werden. Dazu zählen Kommunikation und eben auch Konfliktprävention und Konfliktmanagement. „Wo Menschen miteinander schaffen, machen sie einander zu schaffen“, hat es Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun treffend formuliert. Konflikte zu erkennen, ihre Tragweite richtig einzuschätzen und geeignete Maßnahmen zur Konfliktbewältigung zu ergreifen, sind deshalb wichtige Führungskompetenzen.

Es gibt einige typische Konfliktpotenziale, die sich präventiv ausräumen lassen, so dass Konflikte erst gar nicht entstehen. Konflikte am Arbeitsplatz hängen oft mit Aufgaben, Rollen, Strukturen oder mit Veränderungen in der Organisation zusammen. Wenn alle Teammitglieder Klarheit über Zuständigkeiten, Befugnisse und Prioritäten haben, ist schon viel gewonnen. Wenn es trotzdem rumst, müssen eventuell Strukturen geklärt, Aufgaben anders verteilt oder Ziele neu gesetzt werden.

Konfliktmanagement bedeutet nicht, dass sich eine Führungskraft bei jedem Konflikt aktiv einmischen muss. Sie trägt jedoch die Verantwortung für die Klärung aller Konflikte in ihrer Abteilung und bei Konflikten zwischen dem eigenen Team und anderen Teams.

Konflikte aussitzen: Eine gute Idee?

„Das sollen die mal unter sich ausmachen.“ Die Eskalationsstufen haben gezeigt: Es wäre falsch, Spannungen im Team zu ignorieren. Die Kontrahenten sind ab einem bestimmten Konfliktlevel gar nicht mehr in der Lage, den Konflikt konstruktiv und alleine miteinander zu lösen.

Kommen Führungskräfte hier ihrer Verantwortung nicht nach, eskaliert der Konflikt weiter. In meiner Arbeit als Coach und Teamentwicklerin erlebe ich, was passiert, wenn Vorgesetzte untätig bleiben und Konflikten nicht auf den Grund gehen. Ein vermeidendes Führungsverhalten wirkt nicht nur entmutigend für die Betroffenen. Der Konflikt weitet sich aus und beeinflusst das Arbeitsklima im Team. Es verlagert zudem die Verantwortung für das Konfliktmanagement in das Team, wo sie schlichtweg nichts verloren hat.

Konfliktmanagement: Wie gehe ich als Führungskraft vor?

Gibt es Störungen in der gemeinsamen Arbeit des Teams, sind Führungskräfte gefordert, die Konflikte zu analysieren, einzuschätzen, ob und wann Ihr Eingreifen gefordert ist, und dafür zu sorgen, dass die Konflikte geklärt werden.

Beobachten und reflektieren Sie die Situation

Einige Fragen können bei der Reflexion helfen, um Konfliktthemen und Beteiligte zu identifizieren und nächste Schritte zu planen:

  • Gab es kürzlich Veränderungen in der Organisation oder im Team?
  • Wie klar sind Aufgaben, Rollen und Zuständigkeiten?
  • Gibt es „Grüppchen“ im Team?
  • Welche besonderen privaten Beziehungen gibt es?
  • Wer ist am Konflikt beteiligt: Ist es ein Konflikt zwischen zwei oder drei Personen? Spielt er sich innerhalb des ganzen Teams oder zwischen Teams ab?
  • Wie steht die Führungskraft zu den Beteiligten? Ist sie selbst Konfliktpartei?
  • Wer hat welches Problem?

Mit Blick auf Eskalationsstufen und Konfliktverhalten lohnt sich zudem die folgende Reflexion:

  • Hat sich die Arbeitsatmosphäre verändert? Herrscht plötzlich Schweigen, wo vor kurzem noch geredet und gelacht wurde?
  • Verhält sich ein Teammitglied plötzlich anders, hält sich bei Meetings auffallend zurück, nutzt verstärkt das Home-Office, geht nicht mehr mit den anderen in die Kantine?
  • Geht eine Person in Diskussionen auf Angriff, verdreht die Augen und stichelt gegen andere?
  • Gibt es Reibungen in der Zusammenarbeit? Unterstützen sich Teammitglieder weniger als zuvor, werden Emails mit großem Verteiler geschrieben, statt persönlich zu kommunizieren?
  • Lässt die Leistungsbereitschaft einzelner oder mehrerer Mitarbeitenden nach? Gibt es vermehrt Krankmeldungen?

Ist Selbstklärung eine Option?

Befindet sich der Konflikt auf einer niedrigen Eskalationsstufe, ist eine Lösung durch die Beteiligten selbst möglich. Wenn die Beteiligten damit einverstanden sind, kann die Führungskraft ihnen in einem ersten Schritt die Selbstklärung des Konfliktes überlassen. Dies muss allerdings eine bewusste Vereinbarung sein, die sicherstellt, dass ein Austausch und eine Klärung zwischen den Parteien auch tatsächlich stattfinden.

Konfliktmoderation ist anspruchsvoll

Gelingt die Lösung durch die Teammitglieder nicht oder ist der Konflikt bereits auf einer tieferen Konfliktstufe angelangt, ist eine Konfliktmoderation durch eine dritte Person erforderlich. Wenn sie es sich zutraut, kann die Führungskraft diese Aufgabe übernehmen. Konfliktgespräche sind anspruchsvoll. Sie erfordern eine souveräne Gesprächsführung und die wertschätzende sowie „allparteiliche“ Haltung der moderierenden Person. Die Rolle als Chef und Weisungsbefugter hat Pause. Konkret heißt das, dass Sie selbst keine Inhalte diskutieren, keine Lösungen vorschlagen, keine Entscheidungen treffen und keine Partei ergreifen.

Konfliktmoderation: So geht's

Mit einer moderierenden Gesprächsführung soll folgendes erreicht werden:

  • die Beteiligten dazu bringen, ihre Interessen, Bedürfnisse und Ansichten zu formulieren („Ich-Position“). Vielen Menschen fällt dies schwer, so dass hier viel Empathie und Geduld gefragt ist.
  • die Beteiligten für die Position der Gegenseite zu öffnen und die Empathie für den anderen wiederherzustellen („Du-Position“). Die Konfliktparteien fühlen sich in die Sichtweisen, Gefühle und Bedürfnisse des Gegenübers ein.
  • den Konflikt „von außen“ zu betrachten („Meta-Position“), als wären die Konfliktparteien unbeteiligte Beobachtende. So werden die wechselseitigen Bedürfnisse und Interessenlagen reflektiert, um gemeinsam tragfähige Lösungen zu finden.

Holen Sie sich Unterstützung!

Eine Option ist es, die Gesprächsführung an eine andere Person im Unternehmen zu delegieren, die für die Konfliktmoderation geeignet ist. Alternativ kann ein erfahrener Coach als Sparringspartner im Hintergrund dabei helfen, die Situation zu reflektieren und sicher mit dem Konfliktmanagement umzugehen.
Bei einer stärkeren Eskalation (ab Stufe 4) sollten Sie über eine externe Mediation nachdenken, die den Konflikt mit den beiden Konfliktparteien in die Hand nimmt.

Konfliktmanagement durch die Führungskraft: Wo sind die Grenzen?

Führungskräfte können eine Konfliktmoderation übernehmen – wenn das von den Konfliktparteien akzeptiert oder sogar gewünscht wird.
Es gibt einige Fälle, in denen die Konfliktlösung durch die Führungskraft nicht möglich ist: Führungskräfte werden von ihren Mitarbeitern oft als Person mit eigenen Interessen und mit Macht wahrgenommen. Oder sie sind parteiisch, weil sie von einem bestimmten Ergebnis profitieren würden. Oder sie selbst sind Konfliktpartei, weil sie belastende Gefühle für eine oder mehrere der Konfliktparteien haben. In den Fällen braucht es eine dritte (interne oder externe) Person für die Moderation.

Weitere Artikel

Change-Kommunikation: die entscheidende Kompetenz für Führungskräfte

Change-Kommunikation: die entscheidende Kompetenz für Führungskräfte

Change-Kommunikation ist für Führungskräfte essenziell, da Veränderungen vor allem emotionale Prozesse sind. Offene und regelmäßige Kommunikation schafft Vertrauen und fördert Engagement. Führungskräfte sollten Mitarbeitenden aktiv zuhören, deren Perspektive einnehmen und den Dialog fördern, um Veränderung erfolgreich zu gestalten. Im Artikel gibt es meine Praxis-Tipps als Organisations- und Kommunikationsberaterin.

mehr lesen
Als Führungskraft Abgrenzung lernen und souverän Nein sagen.

Als Führungskraft Abgrenzung lernen und souverän Nein sagen.

Abgrenzung ist eine wichtige Fähigkeit für Führungskräfte. Sie hilft uns, unsere Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu erhalten und zielgerichtet zu arbeiten. Abgrenzung erfordert klare Kommunikation. In diesem Blogartikel lesen Sie, mit welchen Schritten der Selbstklärung Sie zu einer klaren Kommunikation kommen können und wie Sie freundlich aber bestimmt Nein sagen.

mehr lesen